Sprecher:
Ich begrüße Sie zur CME-Fortbildung auf ReachMD. Diese Präsentation mit dem Titel „Häufige Irrtümer über Eisenmangel bei Herzinsuffizienz und dessen Behandlung“ wird von Medtelligence gehalten und mit einem unabhängigen Fortbildungszuschuss von Vifor unterstützt.
Bevor Sie beginnen, lesen Sie sich bitte die Offenlegungserklärung des Lehrkörpers sowie die Offenlegung hinsichtlich der kommerziellen Unterstützung und die Lernziele durch.
Dr. Butler:
Eisenmangel ist eine häufige Komplikation bei Herzinsuffizienz, und es gibt immer mehr Nachweise dahingehend, wie sehr sich dieser Mangel auf die Patienten-Outcomes auswirkt. Allerdings gibt es auch Missverständnisse, was Diagnose und Behandlung angeht. Welche Missverständnisse bestehen hier am häufigsten, und was sollten wir für unsere Patienten tun?
Sie hören CME auf Reach MD, und ich bin Dr. Javed Butler, Professor und Vorsitzender der Fakultät für Medizin an der University of Mississippi in Jackson, Mississippi.
Dr. van der Meer:
Und ich bin Dr. Peter van der Meer, Professor für Kardiologie am Universitätsklinikum Groningen in den Niederlanden.
Dr. Butler:
Peter, ich möchte Sie zunächst fragen, warum wir uns überhaupt mit dem Thema Eisenmangel beschäftigen. Es bestehen ja oft Zweifel, wenn es um die Evaluierung oder Behandlung von Eisenmangel bei Patienten mit Herzinsuffizienz geht. Dies könnte daran liegen, dass den meisten die Bedeutung nicht wirklich bewusst ist. Können Sie uns ein wenig über die Epidemiologie und Prävalenz sowie die Zusammenhänge von Eisenmangel und Outcomes bei unseren Patienten aufklären?
Dr. van der Meer:
Eisenmangel kommt bei Patienten mit Herzinsuffizienz relativ häufig vor – die Häufigkeit hängt ein wenig von der Schwere und Erkrankung des Patienten ab. Wenn wir uns zum Beispiel große Patientenpopulationen mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion [HFrEF] ansehen, stellen wir fest, dass rund 50 % der Patienten einen Eisenmangel haben. Aber der Blick auf eine kränkere Population, zum Beispiel Patienten mit akuter oder sich verschlimmernder Herzinsuffizienz, zeigt, dass sogar zwei Drittel bis drei Viertel der Patienten mit Herzinsuffizienz auch einen Eisenmangel haben. Das ist also ein häufiges Problem. Außerdem ist Eisenmangel mit schlechter Lebensqualität und geringer Funktionsfähigkeit assoziiert. Darüber hinaus haben Patienten mit Eisenmangel eine wesentlich schlechtere Prognose als Patienten, bei denen kein Eisenmangel vorliegt.
Dr. Butler:
Also sollte man bei Herzinsuffizienz nur dann auf Eisenmangel untersuchen, wenn der Patient Symptome hat? Welche Symptome wären das? Oder sollte man alle Patienten mit Herzinsuffizienz hierauf testen?
Dr. van der Meer:
Nun, wir haben eine große Studie durchgeführt, in der wir die Prädiktoren für das Vorliegen eines Eisenmangels unter die Lupe genommen haben. Allerdings lässt sich Eisenmangel nur schwer einschätzen, da er so häufig vorkommt. Wenn also die Hälfte der Patienten mit Herzversagen – die Hälfte bis drei Viertel der Patienten – einen Eisenmangel haben, könnte man sagen, dass ein Test auf Eisenmangel indiziert ist. Dies steht auch in den ESC-Leitlinien – den Leitlinien zu Herzinsuffizienz von 2016. Die Untersuchung auf Eisenmangel ist eine Empfehlung der Klasse 1C.
Dr. Butler:
Es gibt da ein Missverständnis, und zwar, dass wir alle gut darin ausgebildet werden, Eisenmangel als Ursache von Anämie zu erkennen. Wir verbinden Eisenmangel daher mit Eisenmangelanämie an sich und nicht notwendigerweise als eigenständiges Krankheits- oder Störungsbild. Ist Eisenmangel immer mit Eisenmangelanämie verbunden, oder gibt es auch Eisenmangel ohne die Anämie? Und spielt es überhaupt eine Rolle, ob jemand nicht anämisch ist, sondern lediglich einen Eisenmangel hat?
Dr. van der Meer:
Wenn wir uns mit der großen Population mit stabiler chronischer HFrEF befassen, die bei über 2000 Patienten untersucht worden ist, stellen wir fest, dass zwei Drittel der Patienten einen Eisenmangel haben. Wenn man die Gruppe der Patienten mit Eisenmangel dann in einen anämischen und einen nicht-anämischen Teil unterteilt, wird deutlich, dass nur ein Drittel der Patienten mit Eisenmangel auch anämisch sind. Zwei Drittel der Patienten mit Eisenmangel waren nicht anämisch. Wenn man also lediglich den Hämoglobinspiegel untersucht, bleiben zwei Drittel der Patienten mit Eisenmangel unbeachtet. Ein Eisenmangel ohne Anämie kommt also recht häufig vor.
Wenn wir uns zum Beispiel die Interventionsstudien anschauen – damit man immer sagen kann, besteht eine Verbindung oder mindert Eisenmangel tatsächlich beispielsweise körperliche Belastbarkeit und Lebensqualität? Es gibt zwei relativ große Outcome-Studien mit intravenös verabreichtem Eisen, in der Patienten mit Eisenmangel – und es gab eine Gruppe von Patienten mit Eisenmangel mit Anämie und eine Gruppe ohne – mit Eisen intravenös behandelt wurden. Der primäre Endpunkt waren die körperliche Belastbarkeit und die Lebensqualität. Man hat festgestellt, dass eine intravenöse Eisengabe die Lebensqualität und die körperliche Belastbarkeit erhöht. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Patienten bei der Baseline anämisch waren oder nicht. Die Behandlungswirkung ist bei Patienten mit Eisenmangelanämie und Eisenmangel allein – ohne Anämie – vergleichbar.
Wie merken also – ein Test auf Eisenmangel ist daher wichtig. Die European Society of Cardiology empfiehlt sogar, alle Patienten mit neu diagnostizierter Herzinsuffizienz auf Eisenmangel zu testen und die Patienten, wie besprochen, im Anschluss regelmäßig nachzuverfolgen. Ich glaube, ein weiterer Irrtum ist, dass die Messung des Ferritinspiegels ausreicht, um festzustellen, ob ein Patient an Eisenmangel leidet oder nicht. Der Ferritinspiegel allein ist nicht aussagekräftig. Dr. Butler, können Sie uns erklären, wie zur Beurteilung eines Eisenmangels bei Patienten mit Herzinsuffizienz vorzugehen ist?
Dr. Butler:
Nun, Peter, das ist eine interessante Frage. Das Ganze ist gar nicht so komplex, wie man manchmal aufgrund der unterschiedlichen Eisenkennwerte meinen könnte. Sehen wir uns zunächst die physiologische Ebene an. Das Ganze ist ganz logisch. Zu Eisenmangel kann es durch unzureichende Eisenaufnahme kommen – also je nachdem, was man isst, oder bei Kachexie oder Appetitlosigkeit. Auch infolge eines Darmödems kann die Aufnahme eingeschränkt sein. Aufgrund eines Magengeschwürs, Gastritis usw. kann vermehrt über den Gastrointestinaltrakt Eisen verloren gehen. All dies führt zu absolutem Eisenmangel.
Aber selbst, wenn kein absoluter Eisenmangel vorliegt, wird Eisen intrazellulär gespeichert. Es wird aus der Zelle heraustransportiert durch – die Bindung an Transferrin. Dann wird es für die ATP-Synthese und Hämoglobinbildung und für alles, wofür der Körper Eisen braucht, durch den ganzen Körper transportiert. Dann kann es sein, dass ein relativer Eisenmangel entsteht. Selbst bei normaler Aufnahme, Absorption und Eisenspeicherung – wenn wir nach dem Ferritinspiegel urteilen – kann es zu einem relativen Eisenmangel kommen, da der Mechanismus für den Transport von intrazellulärem Eisen in den extrazellulären Bereich und die Bindung an Transferrin und den Transport in den restlichen Körper dann nicht richtig funktioniert.
Und dann muss noch bedacht werden, dass Ferritin ein Akute-Phase-Protein ist und der Ferritinspiegel daher selbst bei Eisenmangel ansteigen kann. Wenn bei all dem der absolute Ferritinspiegel unter 100 liegt, hat man die Diagnose. Aber selbst bei höherem Ferritinspiegel – zwischen 100 und 300 – gilt es die Transferrin-Sättigung zu beachten. Liegt diese unter 20, kann man auch dann einen Eisenmangel diagnostizieren.
Für diejenigen, die sich gerade einschalten, Sie hören die CME-Fortbildung auf ReachMD. Ich bin Dr. Javed Butler, und ich unterhalte mich heute mir Dr. Peter van der Meer. Thema sind häufige Irrtümer bezüglich Eisenmangel und Herzinsuffizienz.
Sehen wir uns ein paar Fallbeispiele an. Nehmen wir an, wir haben eine Patientin mit Herzinsuffizienz im Stadium II, und ihre Ejektionsfraktion ist auf 35 % reduziert. Ein Eisentest zeigt, dass ihr Hämoglobin 12 g/dl, ihr Ferritin 185 und ihr TSAT 19 % beträgt. Peter, ist diese Patientin anämisch, hat sie einen Eisenmangel, oder beides?
Dr. van der Meer:
Hier sind zwei Dinge zu beachten. Zunächst ist zu klären: Ist die Patientin anämisch? Ja oder Nein? Bei einem Hämoglobinwert von unter 12 g/dl – in Europa verwenden wir oft auch Millimol pro Liter; das entspricht also 7,5 mmol/l – liegt sie genau auf dem Grenzwert, den die WHO für die Definition von Anämie festgelegt hat: unter 12 g/dl. Ich würde also sagen, sie ist im Grenzbereich zur Anämie. Wenn wir die Eisenparameter unter die Lupe nehmen, wie einen Ferritinspiegel von 185 und eine TSAT von 19 %, hat die Patientin einen relativ hohen Ferritinspiegel. Aber ich denke, wir sollten berücksichtigen, dass es sich bei der chronischen Herzinsuffizienz um eine chronisch entzündliche Erkrankung handelt und Ferritin ein Akute-Phase-Protein ist, das bei einem entzündlichen Zustand erhöht ist. Ihr Ferritin liegt also zwischen 100 und 300, und ihre TSAT liegt unter 20. Ich würde diese Patientin als an der Grenze zur Anämie mit Eisenmangel bezeichnen.
Dr. Butler:
Überlegen wir nun, ob die Diagnose mit den gleichen Parametern – Hämoglobin 12, Ferritin 185 und TSAT 19 – anders ausfallen würde, wenn es sich um einen männlichen Patienten handelt?
Dr. van der Meer:
Den Eisenmangel haben wir bereits diagnostiziert – das bleibt auch bei männlichen Patienten gleich. Es gibt also keine Unterschiede hinsichtlich der Definition von Eisenmangel bei männlichen und weiblichen Patienten. Allerdings haben die Kriterien der WHO verschiedene Grenzwerte bei Männern und Frauen. Bei Frauen sind es 12 g/dl. Bei Männern 13 Gramm – 13 g/dl. Das entspricht 8,1 mmol/l. Wo die Patientin also grenzwertig anämisch war, wäre ein männlicher Patient ganz klar anämisch.
Dr. Butler:
Dr. van der Meer, ist Eisenmangel ein Risikofaktor oder Risikomarker bei herzinsuffizienten Patienten? Das ist eine zentrale Frage, denn auch wenn Eisenmangel die Prognose beeinflusst, bedeutet das nicht, dass Eisen supplementiert werden solle, wenn sich dadurch das Ergebnis nicht verbessert. Ist dies also ein Risikofaktor oder ein Risikomarker?
Dr. van der Meer:
Das ist eine gute Frage. Ich glaube sogar, das ist die wichtigste Frage überhaupt, denn es gibt so viele Marker, die mit einem ungünstigen Outcome assoziiert sind. Allerdings ist nicht klar, ob die Behandlung eines solchen Zustands wirklich auch die klinische Situation verbessert. Da gab es die FAIR-HF, die erste Studie, die sich mit den Auswirkungen der intravenösen Gabe von Eisen auf das Outcome der Patienten befasste. Dabei wurde das Befinden der Patienten sowie die New York Heart Association Class Functional Class erhoben. In dieser FAIR-HF-Studie zeigte sich ganz klar, dass sich das Befinden der Patienten verbesserte, wenn sie mit intravenösem Eisen behandelt wurden. Auf diese erste FAIR-HF-Studie folgte die CONFIRM-Studie, deren primärer Endpunkt der 6-Minuten-Gehtest war. Auch in dieser Studie zeigte sich deutlich, dass Patienten, die mit intravenösem Eisen behandelt wurden, nach sechs Monaten Behandlung einen besseren 6-Minuten-Gehtest absolvierten. Ich denke, es lässt sich daher ganz klar sagen, dass Eisenmangel mit einer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit und geringeren Lebensqualität einhergeht.
Der zweite Teil ist der Zusammenhang zwischen Eisenmangel und Outcome. Der ist nicht ganz so klar. Es wurde eine Meta-Analyse der CONFIRM- und FAIR-HF-Studie gemacht, die sich mit dem Endpunkt der stationären Einweisung aufgrund von Herzinsuffizienz befasste. In dieser Meta-Analyse zeigte sich, dass die Häufigkeit der stationären Einweisung nach einer Behandlung mit Eisen geringer war. Die Meta-Analyse weist also schon mal in die richtige Richtung. Derzeit sind mehrere große randomisierte Kontrollstudien am Laufen, die sich mit der Frage befassen, ob Eisen intravenös wirklich harte Endpunkte, wie eine stationäre Behandlung aufgrund von Herzinsuffizienz oder kardiovaskuläre Mortalität, verbessert. Wir warten u. a. gespannt auf die Ergebnisse der AFFIRM-Studie zu akuter Herzinsuffizienz.
Dr. Butler:
Peter, ich möchte Sie etwas fragen. Mir ist klar, dass bei Eisenmangelanämie die Sauerstofftragfähigkeit des Blutes verringert ist, wodurch Beschwerden entstehen und die körperliche Belastbarkeit abnimmt. Wie aber führt Eisenmangel bei nicht vorhandener Anämie zu schlechten Outcomes?
Dr. van der Meer:
Das stimmt – wenn Eisenmangel zur Anämie führt, ist weniger Hämoglobin vorhanden, und somit würde auch die maximale VO2 abnehmen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Eisen auch für die Funktion der Mitochondrien wichtig ist. Es gibt einige der Mitochondrien-Cluster oder Eisen-Schwefel-Cluster, in denen Eisen für diesen Protongradienten und letztendlich die Bildung von ATP erforderlich ist. Wir wissen aus Skelettmuskel-Studien an herzinsuffizienten Patienten und durch einige In-vitro-Daten von menschlichen Kardiomyozyten, dass Eisenmangel tatsächlich die Mitochondrienfunktion vermindert und die ATP-Bildung senkt und im zellulären Modell die Kontraktionskraft dieser Kardiomyozyten schwächt. Ich glaube also, dass hier, von dem, was wir wissen, zweierlei Wirkung entsteht: Zum einen sinkt der Hämoglobinspiegel, zum anderen wird aber auch die Mitochondrienfunktion ganz klar beeinflusst.
Dr. Butler:
Wie schön, dass hier so viel geforscht wird – ich freue mich auf die Ergebnisse der AFFIRM-AHF-Studie. Unsere Zuhörer, die mehr über Management und Behandlung von Eisenmangel bei Herzinsuffizienz erfahren möchten, verweise ich auf „Mehr als Anämie: Bedeutung und Behandlung des Eisenmangels verstehen“ mit Dr. Ewa Jankowska und Dr. Stefan Anker. Dr. van der Meer, wir sind am Ende angelangt. Können Sie unserem Publikum ein Fazit mit auf den Weg geben?
Dr. van der Meer:
Mein Fazit ist, dass Eisenmangel bei Patienten mit Herzinsuffizienz häufig ist und auch bei nicht anämischen Patienten vorkommt. Javed, was ist Ihr Fazit?
Dr. Butler:
Mein Fazit ist, dass wir Eisenmangel nicht nur als Vorläufer der Anämie sehen sollten, sondern als Krankheitsbild an sich – wie beispielsweise Diabetes, bei der manche Patienten Symptome haben und andere eben nicht; man führt entsprechende Tests durch. Man muss auf Eisenmangel testen, da es sich bei diesem der Datenlage zufolge nicht einfach nur um einen Risikomarker handelt, sondern um einen Risikofaktor, der behandelt werden muss.
Nun, mehr Zeit haben wir heute leider nicht.. Ich danke unserem Publikum fürs Zuhören und danke Dr. Peter van der Meer für das aufschlussreiche Gespräch. Ich habe mich sehr über das Gespräch gefreut, Peter.
Dr. van der Meer:
Danke, Javed. Das war ein sehr gutes Gespräch.
Sprecher:
Sie hörten die CME-Fortbildung auf ReachMD. Diese Maßnahme wird von Medtelligence zur Verfügung gestellt und durch einen unabhängigen Fortbildungszuschuss von Vifor unterstützt.
Um Ihren kostenlosen CME-Credit zu erhalten oder diese Maßnahme herunterzuladen, besuchen Sie ReachMD.com/heartfailure. Vielen Dank fürs Zuhören.
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